HISTORIE der DIGITALRECHNER in DEUTSCHLAND     TR-4
  


DIGITALRECHNER TR-4
Dieser Text stammt aus der Feder von: J. Schilling und stellt seine Gedanken zur Rechner-Historie in Deutschland dar.
Der Digitalrechner  TR4 ist das Vorgängermodell vom TR440.
Der Digitalrechner Telefunken TR4 war zu seiner Zeit einer der wenigen     in Deutschland entwickelten und gefertigten Digitalrechner - es   handelte   sich um die erste Hälfte der 60er Jahre...
Der TR4 war bei Telefunken Backnang als "wissenschaftlicher Abfall" bei     der Suche nach elektronischen Telefonvermittlungs-Techniken   entstanden,   seine Weiterentwicklung und Fertigung wurde dann zu   Telefunken Konstanz   verlagert.
Das Bild zeigt den TR4 mit der Seriennummer 4, wie er im Deutschen     Museum in München in einem großen Glaskasten zu sehen ist. Er wurde im     November 1963 bei der Finanzverwaltung NRW in Düsseldorf in Betrieb     genommen und diente der Datenverarbeitung für Steuerbescheide aller Art     (Kfz-, Lohn- und Einkommensteuer usw..).
Als Peripherie waren dort Lochstreifengeräte (im Bild auf dem     Bedientisch links) und Lochkarten-Leser/Stanzer vorhanden, ferner etwa     24 Bandgeräte und 4 Offline-Schnelldrucker (jeder mit eigenem     Bandgerät).
Bei vollem Betrieb wurde jeden Tag ein LKW mit Drucker- Papier angekarrt     und entsprechend die Ausdrucke (automatisch geschnitten / getrennt /     eingetütet) dem Postversand übergeben.
Ich war seinerzeit als TFK-Service-Ingenieur für die tägliche Wartung der Anlage während der 18 Monate Garantiezeit zuständig.
Nach der späteren Außerbetriebnahme dieses TR4 wurde er dem Deutschen Museum geschenkt - dort habe ich ihn "wiedergetroffen". 
Nun zur Technik:
Das Bild zeigt im Vordergrund den Bedientisch mit Lochstreifengeräten     (links) und der elektrischen Bedien/Prokokollschreibmaschine (mitte)     sowie dem Tastenfeld zur Wartung (rechts) - letzteres enthält u.a. auch     die sogenannten Wahlschalter, deren Stellung (EIN/AUS) vom Programm     abgefragt und für Verzweigungen genutzt werden konnten.
Dahinter ist der eigentliche Rechner zu sehen - hier bestehend aus 8 Schränken mit (v.l.n.r.)
Peripherie-Elektroniken
Netzteil-Steuerung
Netzteilen
2 Schränken mit dem eigentlichen Rechen- und Befehlswerk
2 Speicherschränken
Kanalwerk = Peripherie-Anschluß.
Die beiden Rechenwerksschränke zeigen oben die Rechenwerkskarten mit in     sechs Reihen untereinander angeordneten Rechenwerks-Registern über die     ganze Breite der 2 Schränke, deren Zustand durch Glimmlampen   angezeigt   wurde.
Es gab dazu ein Spielprogramm "Leuchtschrift", mit welchem man Texte im     leicht verdunkelten Rechnerraum gut sichtbar abspulen konnte - der   Chef   der entsprechenden Abteilung im Finanzministerium NRW hat mir   seinerzeit   mal gesagt, daß er durch dieses Leuchtschrift-Programm   (bzw. durch die   freundlichen Begrüßungstexte, die man damit erzeugen   konnte) dem   Finanzausschuß des Landtages NRW mehrere Millionen   "entreißt" habe...
Die hier nicht sichtbaren Schranktüren waren edles Teakholz mit einer     eingelegten Cu-Folie als Schutz gegen Störstrahlung - wenn man ein     MW-Kofferradio vor den Rechnerschrank hielt konnte man dessen "Arbeiten"     mithören - und es gab auch ein "Musikprogramm" dafür - hi.
Ganz unten im linken Rechenwerksschrank (leider durch den Bedientisch     verdeckt) ist das Befehlswerk - auch hier wird der Zustand jedes     einzelnen Register-Bits durch Glimmlampen angezeigt.
Alle anderen Karten in diesen beiden Schränken tragen die Diodenlogiken zur Steuerung des Mikroprogrammes.
Die Verdrahtung innerhalb der beiden Rechenwerks-Schränke erfolgte mit     dünnem Schaltdraht in Rüsch-Schlauch, im Bereich der Gleitkomma-Logik     sogar mit sog. Indusi-Draht (mit Schaumstoff-Isolierung) weil der     kapazitätsärmer ist.
In dem Speicherschrank ist unten (verdeckt) ein gefädelter     Festwertspeicher (1/4 des Adressraums), der den Systemkern - das sog.     Verteilerprogramm V6 - und weitere Dienst- und Wartungsroutinen enthält.     Oben im Schrank ist die Speichersteuerung mit den Stromtreibern und   den   eigentlichen Ringkern-Speichern zu sehen.
Der Rechner war noch in diskreter Transistor-Technik aufgebaut - jedes     bit-breite Flipflop war auf einer Huckepack-Karte (rund 4 * 8 cm)     aufgebaut, die mit sog. "Spazierstöcken" auf der eigentlichen Karte     aufgelötet war. Dabei waren alle Flipflops mit Ausgangstreibern und     einem Glimmlampen-Treiber versehen.Es gab das normale Register-Element     (normales Flip-Flop für Rechenwerk/Befehlswerk usw.)
das sog. Verteiler-Element für die zentrale Verteilerschiene, welches nur eine Taktzeit lang seinen Inhalt behielt,
das sog. Leistungselement oder Schaltwelle (das war der Spannungstreiber     für die Dioden-Logik, die ein/ausgeschaltet werden konnte und dadurch     eine Dioden-Konjunktion aktivieren oder deaktivieren konnte).
Der Rechner hatte eine Wortbreite von 52 Bits, davon waren 48 Bits Information
2 Bits Typenkennung: 0=Gleitkomma, 1=Integer, 2=Befehl, 3=Alphatext (in Hexaden zu je 6 Bits angeordnet !)
2 Bits Dreierprobe zur Fehlererkennung.
Der Adressraum umfaßte 64k - da jedes Speicherwort 2 Befehle enthielt     waren es also 32k Worte - jedes Wort war also über eine gerade und eine     ungerade Adresse ansprechbar.
Die Taktfrequenz lag bei 1,6...2 MHz und konnte durch Festwert- und Einstell-Potis auf dem Tastenfeld gewählt werden.
Mittels Tasten des Tastenfeldes konnte man die Befehle zur Fehlersuche     im Programm einzeln durchtasten - man konnte aber auch jeden Takt des     Befehls-Mikroprogramms einzeln durchfahren.
Die Test- und Prüf-Programme waren in der allerersten Entwicklungsphase     entstanden und existierten nur als mehrfach gepatchte Lochstreifen -   ich   habe sie später in Düsseldorf alle disassembliert und in SUSA (dem     TR4-Assembler) neu geschrieben, wobei ich ihnen dann auch den bis   dahin   vermißten Bedienkomfort verpaßt habe.
Und heute ?
Wenn man den TR4 in seiner Leistungsfähigkeit heutzutage etwas laienhaft     vergleichen will, so muß man ihn unter Betrachtung von Taktfrequenz   und   Adressraum in etwa zwischen Commodore C64 und IBM-XT einordnen.
Ab etwa 1965 wurde mit der Entwicklung des sehr viel leistungsfähigeren Nachfolgerechners TR440 begonnen.
Ab 1968 war ich selber als Laborgruppen-Leiter für die Entwicklung der     Test- und Wartungs-SW verantwortlich, daraus entwickelte sich für mich     (zuerst geheim, dann offiziell) die Aufgabe, den Systemkern für das     TR440-Betriebssystem zu programmieren.
Dieser TR440 war - was den Befehlsvorrat betraf - in etwa     aufwärtskompatibel zum TR4 - es gab sogar auf dem TR440 einen     TR4-Emulator.
Wer jemals einen 6502 in Assembler programmiert hat kann sich gut     vorstellen, wie ein TR4/TR440 zu programmieren war - die Ähnlichkeit des     Befehls-Vorrates hat mir viel Spaß gemacht beim Programmieren der     ersten UKW-RTTY-Mailbox in DL, die seinerzeit unter dem Rufzeichen DLØTV     zuerst auf einem KIM-1, dann auf einem Commodore C64 lief und von mir     erst zum Beginn der PR-Zeit in DL - genau am 1. Mai 1984 -   abgeschaltet   wurde.